Entwicklung und Engagement der NGO Neemia Uzhgorod – Ein etwas ausführlicher Bericht um euch an dem Anteil nehmen zu lassen, was sich in der Ukraine seit unseren ersten Aktivitäten 1992 bis heute im Rahmen des nehemia teams alles entwickelt hat.
Entstehung
Durch das vielseitige Engagement des nehemia teams Fürth, das seit 1993 Aktivitäten in der ukrainischen Region „Transkarpatien“ durchführte (Trainingsmaßnahmen für junge Menschen, humanitäre Hilfe, Begleitung und Unterstützung bei dem Pionieren von Sozialprojekten wie einem Zentrum für behinderte Kinder, Drogenrehabilitation usw.) entstand eine Gruppe junger Ukrainer/innen, die durch das nehemia team begleitet und gecoacht wurde. Diese Gruppe gründete 1996 die „NGO Neemia“ in Uzhgorod. Diese hat sich seitdem immer weiter entwickelt und eine Vielzahl von Projekten, Initiativen und Aktivitäten entwickelt und durchgeführt:
Es begann mit den „Schulen des Herzens“
Das Engagement des nehemia teams in der Ukraine war zu Beginn vor allem durch die „Schulen des Herzens“ geprägt. In diesen, oft mehrwöchigen Schulungen wurden in den 90er Jahren weit über 1000 meist junge Menschen ermutigt, ihre Gaben/Potenzial zu entdecken, ihren Glauben zu entfalten, ihre Lebensträume ernst zu nehmen und sich für andere Menschen zu engagieren. Neben John MacFarlane waren es vor allem John und Jean Krueger, die sich unterstützt von vielen anderen in diese jungen Menschen investierten.
Trainingsmaßnahmen
Das ukrainische Team organisierte die vom deutschen nehemia team begonnenen Trainingsmaßnahmen und erweiterte das Angebot. Dies beinhaltete sowohl Kurzseminare zu verschiedensten Themen wie mehrwöchige Schulungen. Diese fanden in angemieteten Sanatorien und anderen öffentlichen Einrichtungen statt.
Versöhnungskonferenz
1997 wurde durch das nehemia team am traditionellen „Victory day“ in Kiev unter dem Motto „Reconciliation & Victory“ eine „Versöhnungskonferenz“ durchgeführt. Vertreter des deutschen nehemia teams begegneten den Präsidenten der ukrainischen Veteranenverbände und baten um Vergebung für das Leid, dass durch Deutsche im 2. Weltkrieg über das ukrainische Volk gebracht wurde. Im Anschluss fanden zwei Großveranstaltungen mit ähnlichem Charakterstatt. Interessanterweise wurde dieser Gedenktag seit Kurzem in der Ukraine in „Sieges- & Versöhnungstag“ umbenannt.
Nehemia Center
Ab 2000 begann, begleitet und unterstützt durch das nehemia team in Deutschland der Bau eines Zentrums in Uzhgorod, das 2001 fertiggestellt wurde. Das „Nehemiah Training Center“ ist seitdem Dreh- und Angelpunkt einer Vielzahl von Aktivitäten und Initiativen von NGO Neemia in der gesamten Ukraine und darüber hinaus. Das Tagungszentrum mit Betten für über 60 Personen ist mit einem Konferenzraum mit 120 Plätzen, mehreren Semi-narräumen, einem Übersetzungsservice und einer Bibliothek ausgestattet. Eine Küche samt Cafeteria sorgt für die Verpflegung der Gäste. Auf dem weiträumigen Freigelände entstand ein Spielplatz, Sportplatz sowie Anbaufläche für Obst und Gemüse. Dies bietet ein ideales Ambiente für Seminare und Konferenzen. Freizeit- und Ausflugsangebote machen es zu einem attraktiven Ort für Freizeiten und Familienurlaube. Das Nehemiah Training Center bot aber auch über die Jahre eine gute Möglichkeit, jungen Mädchen die aus den Waisenhäusern entlassen wurden Arbeit und Begleitung zu geben (Hauswirtschaft, Küche, Cafeteria, Büro). Auf diese Weise erhielten viele eine solide Berufsausbil-dung. 2002 wurde der Verein „Innovation“ gegründet, der den geschäftlichen Teil dieses Zentrums abwickelt.
Kursprogramm
Das nehemia Trainingscenter bietet immer wieder jungen Menschen unterschiedlichste Kursprogramme wie Computer-, Sprach-, und Buchhaltungskurse an.
Vernetzung
Durch die Vielzahl von Schulungen entwickelte sich über die Jahre hinweg ein großes Beziehungs- und Aktionsnetzwerk ausgehend von Transkarpatien in der ganzen Ukraine und darüber hinaus. Über diese gute Vernetzung entwi-ckelte sich das nehemia Center auch zu einer Drehscheibe für internationale Gruppen, die unterschiedlichste Hilfsprojekte in der Ukraine durchführten.
Hilfe für Waisen
In den 90er Jahren befanden sich sehr viele Kinder in staatlichen Waisenhäusern. Diese waren in erster Linie „Aufbewahrungsanstalten“ und es fand kaum individuelle Förderung dieser Kinder statt. Die Kinder kamen in den Schulen kaum zurecht und endeten sehr oft nach dem Verlassen dieser Einrichtungen mit 14 Jahren in der Verwahrlosung, Kriminalität, Suchtabhängigkeit oder Prostitution. Tanja Machabeli, die Leiterin der NGO Neemia begann 1996 solchen Kindern in unterschiedlichster Art und Weise zu helfen. Sie organisierte freiwillige Lehrkräfte, die diese Kinder in diversen Fächern unterstützten. So wurde in vielen dieser Kinder das Fundament für eine verbesserte Ausbildung gelegt. Viele konnten das College besuchen und eine Ausbildung als Koch, Friseur, Handwerker oder im Hotel absolvieren. Neemia schloss dazu mit den Colleges Kooperationen: Diese waren für die fachliche Ausbildung zuständig, Neemia für die „moral education“ und persönliche Begleitung und Unterstützung in dieser Trainingsphase. Durch lebenspraktisches Training wie z.B. Umgang mit Finanzen, Hygiene, Ernährung usw., wurden sie in die Lage versetzt, sich um ihre eigenen Belange zu kümmern. Zunehmend kümmerte sich das Team darum, dass im Anschluss an die Zeit im Waisenhaus die Jugendlichen in einem Hostel oder in diversen betreuten Wohngemeinschaften unterkamen. Die betreuenden „Eltern“ dieser Wohngruppen wurden geschult und in ihrer Arbeit begleitet. Vielen dieser Kinder und Jugendlichen wurde auch Kontakt zu christl. Gemeinden in ihrer Nähe vermittelt, die ebenfalls zu ihrer Stabilisierung beitrugen. Seit dieser Zeit bekommen viele dieser Jugendlichen Unterstützung bei der Arbeits- Ausbildungs- und Wohnungssuche. Dazu juristische Unterstützung, um ihre Interessen zu wahren und durchzu-setzen. Auch half Neemia damals bei der Vermittlung von Adoptionen ins Ausland.
Transkarpatien ohne Waisen
2004 wurden unter Präsident Juschenko eine Reihe Reformen und Erneuerungen in der Ukraine durchgeführt. Eine davon war der Plan, staatliche Waisenhäuser sukzessive aufzulösen und vermehrt Familienwohngruppen für diese Kinder zu schaffen oder sie in Pflegefamilien zu vermitteln. So begann das Team 2005 Pflegeeltern nicht nur zu rekrutieren, sondern diese auch intensiv durch unterschiedlichste Schulungen auf diese Aufgabe vorzubereiten und zu begleiten. Durch das inzwischen stark gewachsene internationale Netzwerk an geeigneten professionellen Personen, konnten diese Schulungen vor Allem durch Fachkräfte aus den Niederlanden, Deutschland und den USA durchgeführt werden. Diese Sommerschulungen für Pflegeeltern samt Kindern sorgten auch dafür das Kennenlernen, Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Unterstützung unter diesen Pflegeeltern wuchs. Solche „Family Orphanages“ bestehen in der Regel aus einem Elternpaar mit bis zu 10 Kindern (eigene plus Waisenkinder). Um diese Entwicklung zu verstärken wurde 2010 die Aktion „Transkarpatien ohne Waisen“ ins Leben gerufen. Hier arbeitet NGO Neemia federführend mit einer Reihe anderer privater und staatlicher Organisationen zusammen. Ziel ist es, die staatlichen Waisenhäuser zu schließen und alle Waisenkinder der Region Transkarpatien an Adoptiveltern, Pflegefamilien oder Familienwohngruppen für Waisen zu vermitteln. Dieses ambitionierte Ziel (es lebten 2000 Kinder in Waisenhäusern) wird voraussichtlich 2018 erreicht sein! Für die Pflege- und Adoptiveltern wurde ein eigenes Mentoringprogramm entwickelt.
Hilfe für Roma
In einem der Waisenhäuser lebten 150, meist stark entwicklungsgestörte und behinderte Kinder Viele davon waren Zigeuner (Roma). Man begann sich um 16 Mädchen zu kümmern, stellte die Versorgung und Betreuung sicher und brachte sie in einem Wohnheim einer Kleiderfabrik unter. Eines dieser Mädchen ist heute Rechtsanwältin und kümmertsich besonders um die Anliegen von Waisenkindern. Dies war zugleich der Beginn eines starken Engagements für die Belange der Roma, von denen viele meist ein Leben am Rande der ukrainischen Gesellschaft führen. Dies beinhaltet bis heute Hilfsprojekte, Schulungen, Kindergartentraining und Vieles mehr.
Hilfe für verlassene Kinder
Im Bereich der Kinderhilfe gab es für viele Jahre eine besondere Art von Not: Babys, die von ihren Müttern nach der Geburt verlassen oder zur Adoption freigegeben wurden, mussten erst noch für mehrere Monate auf der Kinderstation in einem Krankenhaus bleiben. Es gab kein Personal, das sich intensiver mit den Babys beschäftigen konnte. Sie waren nur aufbewahrt. Neemia organisierte in Zusammenarbeit mit örtlichern Kirchengemeinden über viele Jahre einen regelmäßigen Besuchsdienst für diese Babys. Diese kümmerten sich um diese Kinder und gaben ihnen Zuwendung. Auch Windeln, Spielzeug usw. wurde durch das Neemia team beschafft.
Montessori Kinderzentrum
Seit 2012 startete das Team als Pilotprojekt einen Kindergarten, der nach Montessoriprinzipienarbeitet. Carri MacFarlane gab dazu wesentliche Impulse. Hier werden täglich in zwei Gruppen jeweils knapp 20 Kinder betreut. Darunter befinden sich immer wieder auch Kinder mit Behinderung oder mit Kriegstraumata. Die Erfahrungen aus diesem Pilotprojekt sollen in eine Modellschule einfließen, die für 2018 geplant ist. Diese soll dann zu einer Modellinklusionsschule für die Ukraine entwickelt und ausgebaut werden, in der auch Kinder mit besonderem Hilfe- und Förderbedarf und speziellen Nöten einen Platz finden (Waisen, Minoritäten wie Zigeunerkinder, Kinder mit Entwicklungsverzögerung, Flüchtlingskinder usw.)
Kriegsflüchtlinge & humanitäre Hilfe
Die Annexion der Krim durch Russland und der Krieg in der Ukraine haben große Flüchtlingsströme in Bewegung gesetzt. Viele der Flüchtlinge landeten ab 2014 in der Westukraine, besonders im Raum um Uzhgorod. Bevor staatliche Behörden reagieren konnten, war es die Bevölkerung, die spontan Hilfe leistete. Neemia war dabei intensiv beteiligt, um vor allem über die sozialen Medien Hilfsmöglichkeiten zu schaffen und zu koordinieren. Diese reichten vor Erstunterkunft (oft im Nehemia Center), Wohnungs- und Arbeitsbeschaffung bis zu psychologischer Betreuung von Kriegstraumatisierten und Hilfe für die Kriegswitwen und -Waisen. Darüber hinaus konnte Neemia eine Vielzahl von Transporten unterschiedlichster Hilfsgüter aus Deutschland und anderen Ländern vermitteln und für die Verteilung an die notleidenden Bevölkerungsgruppen sorgen.
Explorer Camps
Während der ukrainischen Sommerferien bietet Neemia seit mehreren Jahren im Trainingscenter vielfältige Kinder und Jugendaktivitäten an. Vor allem die „Explorer Camps“ erleben einen großen Andrang. Sie ermöglichen Kindern und Teenagern aus dem Raum Uzhgorod ein intensives Gemeinschaftserlebnis. Neben viel Sport, Spiel, Kreativität und Spaß und einem Sprachtraining erhalten die jungen Teilnehmer wertvolle Impulse und Denkanstöße für ihr persönliches Leben. 2016 besuchten in den Sommermonaten über 1000 Kinder und Jugendliche diese Camps, die eine in ihrer Art einmalig und für viele Teilnehmer eine lebensverändernde Erfahrung sind. Zunehmend nehmen auch Kinder aus Flüchtlingsfamilien und Kriegswaisen daran teil. Auch Camps mit für Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung finden statt. Diese Camps sind für sie ein besonderes Highlight und der Bedarf wächst stetig. Als Mitarbeiter kommen junge Erwachsene und Studenten aus vielen unterschiedlichen Nationalitäten.
So fungiert NGO Neemia unter der Leitung von Tanja und Vasiko Machabeli mit ihren Mitarbeitern in der Ukraine zunehmend vernetzend, innovatorisch, initiativ und pionierhaft. Sie haben eine Plattform geschaffen, die Begegnung, Kennenlernen und Zusammenwirken unterschiedlichster gesellschaftlicher Kräfte ermöglicht und fördert. Ziel ist es dabei notleidende Bevölkerungsgruppen (vor allem Waisen, Kriegsflüchtlingen, Zigeunern, Menschen mit Behinderung, benachteiligten Kindern und Jugendlichen usw.) zu helfen und deren Entwicklung zu fördern. Dabei versteht man sich als ein Anwalt der „Hilfsbedürftigen und Schwachen“. In den letzten 20 Jahren wurden auf diese Weise viele Projekte und Initiativen durch das nehemia team und die später gegründete NGO Neemia ins Leben gerufen. Einige davon haben sich später verselbständigt und laufen unter eigener Verantwortung weiter. Neue Projekte und Initiativen sind in der Planungs- und Entstehungsphase. So ist seit dem kleinen zaghaften Beginn 1993 bis heute vielfältige „Frucht“ entstanden – und es geht immer noch weiter ……..