Vor ein paar Wochen habe ich Fanta Yanna getroffen, eine beeindruckende, engagierte junge Afrikanerin aus Dedougou (Burkina Faso), die seit Ende 2003 in Nürnberg lebt. Seit 11 Jahren verheiratet und inzwischen Mutter von drei Kindern, kam sie dank einer Bürgschaft als Studentin nach Deutschland, um an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm Elektro- und Informationstechnik zu studieren. Seit 2010 arbeitet sie in einer großen internationalen Firma, zuerst als Lead-Engineer für Industrieprojekte und seit drei Jahren als Projektleiterin. Gespannt folge ich ihrer Geschichte:

Neun Geschwister und kein Vater

Geboren als neuntes Kind einer großen Familie habe ich früh gelernt zu teilen und zu helfen, auch unfreiwillig, bis dies für mich eine Selbstverständlichkeit geworden war. Als ich drei Jahre alt war, starb mein Vater. Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, würde ich sagen, sie war hart, bescheiden, aber voller Liebe. Die Liebe meiner Mutter und die Liebe meiner Geschwister hat mein Leben geprägt und erfüllt.

Eine Analphabetin kämpft für Bildung

Eingeschult zu werden war, vor allem aus finanziellen Gründen, keine Selbstverständlichkeit. Aber für meine Mutter, eine Analphabetin, war Bildung für alle, vor allem auch für uns Mädchen, Pflicht. Damals hat sie sich in unserem moslemisch geprägten Land viele Feinde gemacht, um uns den Schulweg frei zu halten.

Heimlich hat sie auch andere Frauen ermutigt, gegen den Willen ihrer Ehemänner die Kinder zur Schule zu schicken. Sie war mehr als überzeugt: Dies ist der einzige Weg, um unabhängig zu werden und eine bessere Zukunft zu erreichen. Obwohl Analphabetin, war es für sie eine Selbstverständlichkeit, zu Hause unsere Hausaufgaben zu kontrollieren, nur um uns Kindern den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich für unsere Leistungen interessiert. Dies dauerte leider nur bis Ende der ersten Klasse. Dann haben wir bemerkt, dass unsere Mutter die Hefte manchmal verkehrt herum gehalten hat und gar nicht lesen kann.

Das machte aber nichts, denn durch ihr Engagement hat sie uns Geschwistern und vielen Nachbarskindern dazu, Bildungsperspektiven geschaffen. Ich musste mein Vorbild nicht lange suchen, denn sie fasziniert mich bis heute noch, wenn ich an diese Zeit denke. 

Jungen Menschen eine Chance geben

Dass ich mich für Bildung so einsetzen will wie sie, habe ich erst 2006 als Studentin nach meinem ersten Besuch in meinem Heimatland realisiert. Ich besuchte während meines Aufenthalts eine ehemalige Gastfamilie, bei der ich kurze Zeit gelebt hatte. Ich traf eine trauende Familie an, deren Vater vor einem Jahr verstorben war. Weil das Schulgeld fehlte, waren die Kinder aus der Schule genommen worden und mussten früh arbeiten.

Ich hatte zunächst nicht die Finanzen, um diese Familie zu unterstützen, aber mir war bewusst: die Situation wird nicht besser, wenn die Kindern nicht zurück zur Schule gehen. So hatte ich es immer von meiner Mutter gehört. Ich entschloss mich, wenigsten die zwei jüngeren Geschwister wieder zur Schule zu schicken und sprach am nächsten Tag mit dem Schulleiter. Ich versprach ihm, dass ich in zwei Monaten das Schulgeld begleichen werde, ohne zu wissen wie.

Zurück in Deutschland habe ich mir einen Studentenjob in einem Fitnesscenter gesucht, um dieses Versprechen einzulösen. Am Ende des Monats konnte ich das Schulgeld begleichen und fehlende Schulmaterialen kaufen. Stellt euch vor, wie ich mich gefreut habe, als ich am Ende des Schuljahres von den sehr guten Noten der Kinder erfuhr. 

Meine Heimat soll sich verändern

Seitdem engagiere ich mich für Bildung und habe mit der Zeit ohne fremde Unterstützung viele kleine Projekte in meinem Heimatdorf initiiert, um das Bildungsniveau der Kinder zu verbessern und Kindern aus perspektivlosen Familien den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. 

2017 habe ich zusammen mit Freunden den Verein „Creuset d´Eveil Kinderhaus“ in Burkina Faso gegründet, der sich für Bildung und soziale Entwicklung von Kindern vor allem in ländlichen Bereichen kümmert. Der Verein engagiert sich in Form von Hausaufgabenbetreuung und Informatikkursen in Dörfern und bietet Freizeitangebote, wie Musik und Instrumentenkurse. Dieses Jahr haben wir in Dedougou ein Kinderzentrum für Klein- und Vorschulkinder eröffnet.